Die Osnabrücker Steinwerke aus dem Hochmittelalter sind Forschungsgegenstand. Kaum eine Stadt hat so viele noch vorhandene Relikte dieser frühen städtischen Baukultur. Eine Frage ist dabei, wo der Trennungsstrich zu ziehen ist, bis in welche Region können wir von Steinwerken sprechen? Eine Region könnte dabei zunehmend in Betracht kommen. Tschechien und die historischen Gebiete Böhmen und Mähren.
Archaia Brno, eine historische Gesellschaft in Brünn, hat einen Seminarband zum Thema:
Materialen aus dem 3. Jahrgang des Fachseminars. Das Hauptthema des Seminars war die Problematik der hochmittelalterlichen gemauerten bürgerlichen Architektur in Mitteleuropa.
Auf der Webseite findet sich auch die Abhandlung von Frank Löbbecke:
Hochmittelalterliche Holz-Stein-Bauten in Südwestdeutschland und der Nordschweiz
Seine Hausvergleiche reichen bis nach Westfalen, hier Warburg.
Selbst in Basel (Frank Löbbecke) liegen Fragestellungen zur Mittelalterstadt vor, die auch auf Osnabrück zutreffen:
...3) Das an Basler Befunden orientierte Idealbild (Abb. 4) zeigt Holz- und Steinbauten im starken Kontrast zueinander: „kleine, verschachtelte Holzbauten“ und Holzhäuser
kleiner Händler standen den „wesentlich aufwendigeren [Stein-]Häusern der Fernhändler“ gegenüber. 5) Baute also die Unter- und Mittelschicht in Holz, die Oberschicht
in Stein? Am Beispiel der Forschungsergebnisse der letzten Jahre, vor allem in Freiburg im Breisgau, soll der Frage nachgegangen werden, ob die hochmittelalterliche
Bauweise in Holz und in Stein tatsächlich in einem solchen Kontrast zueinander stand.
Hier die Beiträge aus dem Sammelband FUMA II
und hier die Beiträge aus dem ersten Sammelband FUMA III bei Archaia Brno.
Sie reichen bis nach Ungarn.
Seit 2002 veranstaltet die Gesellschaft eine eigene Konferenz FORUM URBES MEDII AEVI (FUMA), die verschiedenen Themen der Stadtarchäologie gewidmet ist.
In Osnabrück haben sieben Steinwerke ein Dachgewölbe. Alle haben selbst die Bombenangriffe des letzten Weltkrieges überstanden. Hier in der Marienstraße mit gotisch- spitzem Winkel vor der Renovierung der letzten Jahre, Bausubstanz um 1300:
Hier eins der dazugehörigen gotischen Fenster.
Update Juni 2009:
Seit einigen Monaten liegen die neuen Forschungsergebnisse zum Huckinger Steinturm im Licht aktueller Forschung vor, in der Reihe: Duisburger Denkmalthemen 3
Der Blog Schauhuette - Anschauliche Archäologie berichtet. Dort gelangt man über einen Link zur gut gemachten pdf-Dokumentation. Gerne mehr davon, wenn es ums Thema Steinwerke geht. Eine Menge Parallelen zu Osnabrück liegen hier vor. Aber auch die jeweilige regionale Ausprägung wird deutlich, zum Beispiel beim Baumaterial.
------------------------------------------------------------------------------
Und nun der Blick auf weitere Internetquellen zum Thema Steinwerk mit Bauten aus dem Hochmittelalter und später:
1. Lübeck: DEUTSCH - DÄNISCHE GESCHICHTE VOM MITTELALTER BIS HEUTE
Archäologisch sind
inzwischen rd. 20 private Backsteinbauten nachgewie
sen: Kleine turmartige Steinwerke und große Bauten mit
zwei hohen Geschossen über dem Keller, die sog. Saal-
geschosshäuser. Während in Lübeck kein Steinwerk
mehr steht, sind noch zwei Saalgeschosshäuser erhal
ten: Koberg 2 und Alfstraße 38. Das Haus am Hafen hat
eine Grundfläche von fast 300 qm. So große Häuser sind
auch in den folgenden Jahrhunderten nur selten errichtet
worden. Die Deckenbalken des Kellers stammen noch
aus der Bauzeit, sie datieren dendrochronologisch „um
1216“. In den folgenden Jahrhunderten sind die zu den
Straßen weisenden Fassaden mehrfach dem Zeitge
schmack angepasst worden, doch vermittelt dieser ge
waltige Bau noch immer die Wirtschaftskraft und das
Repräsentationsbewusstsein des frühen 13. Jahrhun
derts, als Lübeck dänisch war.
2. Steinwerk in Lippstadt. Erinnert etwas an ein Steinwerk in der Hasestraße Osnabrück, mit Anbau.
Nach Freilegung zahlreicher Bauspuren bestätigte sich die Vermutung, dass es sich bei dem Gebäude um einen der wenigen noch vorhandenen steinernen Saalbauten, einem sog. Steinwerk, aus dem 14. Jahrhundert handelte, dem zur Soeststraße vermutlich ein Fachwerkhaus vorgelagert war.
Hier Hasestraße Osnabrück:
3. Hannoversch-Münden: Kemenate-Steinwerk
Zu den ältesten in Hannerversch Münden erhaltenen Gebäuden gehört das in die 1. Hälfte des 13. Jahrhunderts datierte Steinwerk/Steinhaus. Der romanische Bruchsteinbau grenzt im Westen an die Rückseite des in Fachwerkbauweise errichteten Vorderhauses Lange Straße 17 und diente wohl als Kemenate. Sich eine Bauparzelle teilend war sie mit diesem ursprünglich über Zugänge in jeder Etage, die heute zugemauert sind, verbunden. In dem vermutlich für profane Zwecke errichteten Gebäudes blieb in der aufsteigenden Mauer mit Eckquaderung das bauliche Detail eines ursprünglichen Zwillingsfensters erhalten. Auch die zwei Tonnengewölbe, die das gesamte zweigeschossige Steinhaus mit Satteldach unterkellern, gehen wohl auf diese erste Bauphase zurück.
4. Steinwerk und großer Graben in Hannover
Etwa 17 Nachweise
5. Bad Münstereifel: Romanisches Haus
6. Düsseldorf: Romanisches Haus
7. Korbach: Das Spukhaus und Großes Steinhaus
8. Worms: Haus zur Trommel
9.Mainz: Haus zum Stein
10. Seligenstadt: Romanisches Haus, Foto aktueller Zustand
11. Braunschweig: Beispiel einer der etwas jüngeren Kemenaten
Und ganz wichtig: Die Jakobkemenate aus dem 13. Jahrhundert. Hier der Post dazu:
Braunschweig und die Steinwerke
12. Wolfenhagen: Modell eines Steinwerks mit Vorderhaus.
Das Vorderhaus (Flettdielenhaus) als Vierständer-Fachwerkbau, 15./16. Jh., dreizonig angelegt und überwiegend landwirtschaftlich genutzt; das Steinwerk als rückwärtiger Bau mit Saal/Kemenate (heizbar, rauchfrei), um 1260, für besondere Anlässe; Hochkeller mit Gewölbe, ...
13. Bielefeld: Unmittelbare Nachbarschaft. Nach archäologischen Ausgrabungen eine gut gemachte pdf-Dokumentation. Erste Ergebnisse der Ausgrabung an der "Welle"
Zur Bedeutung der Steinwerke und zur weiteren Entwicklung
der Bebauung an der Welle
Unter dem Begriff Steinwerk versteht man ein in Stein errichtetes
ein- oder mehrstöckiges Gebäude, das meistens
hinter dem in Holz errichteten und an der Straße stehenden
Wohnhaus lag. Inspiriert von ländlichen Wohnsitzen
des Adels entwickelte sich dieser Haustyp seit
dem späten 12. Jahrhundert in den Städten. Der gängige
mittelalterliche Haustyp war in Holz oder Fachwerk
ausgeführt.
Und etwas, was sich viele in der Schwedenstraße in Osnabrück gewünscht hätten: Der Erhalt der Reste eines Steinwerks und archäologischer Funde, Archaeowelle:
Eine Fahrt nach Dresden, an der Mitglieder der Stadt, die Bauherren,
Architekten und Archäologen teilnahmen, um Anregungen für den Umgang mit den
zu präsentierenden archäologischen Befunden zu sammeln, führte jedoch zu einer
ernüchternden Erkenntnis: keiner konnte sich für in Beton gebettete Mauerreste in
Tiefgaragen und durch trübes Glas unter dem Gehweg zu erahnende Keller begeistern.
Fast wäre das Projekt gescheitert. Doch daraus resultierte letztendlich der
Entschluss, die Befunde offen in den geplanten Neubau zu integrieren. Um eine
möglichst professionelle Umsetzung des von archäologischer Seite erstellten
Konzepts zu gewährleisten, wurden eine Architektin für die Bauleitung, eine Gestaltungsfirma
und eine Restaurierungsfirma für die Ausführung hinzugezogen.
In einem ersten Arbeitsgang wurden Schäden am Mauerwerk ausgebessert
14. Paderborn: Ebenfalls gute Dokumentation der Archäologie.
Archäologische Spurensuche im Paderborner Osten
Schon gegen Ende des 13. Jahrhunderts
ließ die Ministerialenfamilie das massive Steingebäude
abreißen und teilte das Grundstück in zwei Teile (Abb. 52,
Befund 274). Die Südwand des ehemaligen Gebäudes (Abb. 52,
Befund 72) blieb als Teil der neuen Grundstücksmauer erhalten.
Ein neues Steinwerk mit tonnengewölbtem Keller im mittleren
Grundstücksbereich (Abb. 53) ist Teil eines Baubooms,
der an den vielen Bodeneingriffen dieser Zeit erkennbar ist.
15. Minden und weitere westfälische Städte:
Küche – Kochen – Ernährung im Blick der Fachdisziplinen
Solche Haustypen sind für Südniedersachsen und Ostwestfalen die typischen Bürgerhäuser des späten 12. bis 14. Jahrhunderts. Allerdings gingen reiche Kaufleute schon im 13. Jahrhundert dazu über, repräsentative straßenseitige Steingebäude zu errichten, die dann aber ebenfalls häufig ebene Feuerstellen im Erdgeschoss aufweisen. Im 14. oder frühen 15. Jahrhundert werden Fachwerkhäuser mit Steinwerken im hinteren Grundstücksareal nicht mehr gebaut.
Ein Überblick der Situation in Minden, Stand etwa 2004:
Bei Steinwerken handelt es sich um rechteckige oder quadratische, mehrgeschossige und meist unterkellerte Hinterhäuser in Massivbauweise. Nach derzeitigem Forschungsstand entstanden sie bereits um 1100 in der Regel hinter den noch hölzernen Vorderhäusern, mit denen sie baulich häufig verbunden waren.[1] Wie oben bereits angedeutet, liegt ihr Hauptverbreitungsgebiet im Bereich des heutigen Westfalens und südlichen Niedersachsens - ein Raum, der bis in die zweite Hälfte des 12. Jahrhunderts eine politische Einheit bildete (Hzm. Sachsen) und dessen Städte in der Folgezeit wirtschaftlich eng miteinander verbunden blieben (Hanse).
16 .Hier nochmal Freiburg und Zürich, allerdings in den Anfängen des Städtebaus um 1100, und bereits 1995 erschienen:
HEIKO STEUER, Freiburg und das Bild der Städte um 1100 im Spiegel
der Archäologie
17. Soest - eine unserer engsten Partnerstädte im Hochmittelalter. Es gibt Vermutungen, dass Stein ein wichtigerer Baustoff war als angenommen, wichtiger als später das Fachwerk. Das Haus im Zuckerberg
Liste wird fortgesetzt.
Update August/September 2009:
Ganz wichtig! Gotland in Schweden, vielleicht ein weiterer Standort von Steinwerken.
- Ein Vergleich mit Schwäbisch Hall
- Vergleich Nürnberg
Ältere Posts zu Steinwerken von Jens-Olaf: Teil 1, Teil 2, Teil 3
"Wohntürme" des Mittelalters in Aschaffenburg, Rekonstruktion eines Hauses des niederen Adels in der Pfaffengasse.
Ein Beispiel, warum der Haustyp im Laufe der Jahrhunderte weitgehend verschwunden ist.
Am Nikolaiort in Osnabrück konzentrieren sich um die Jahrhundertwende die Geschäftshäuser. Die Steinwerke werden hier Opfer der neuen Bautätigkeit. Allein an dieser Stelle wird später mehrmals um- und neugebaut.
Update Osnabrück:
Steinwerke in Osnabrück, Vortrag im Historischen Arbeitskreis des Westfälischen Hansebundes in Hamm, 6.9.2008 18. Hofgeismar Sieht den Osnabrücker Steinwerken sehr ähnlich aus:
Das Steinerne Haus in Hofgeismar (Apothekenstraße 5) ist der älteste erhaltene Profanbau der Region. Das um das Jahr 1239 errichtete mittelalterliche Gebäude diente vornehmlich als Speicher, später auch als Wohnhaus.Quelle: regiowiki 19. Warburg Kirchstraße 6, Steinwerk des Pfarrhauses Liste der Baudenkmäler Zu diesem Haus hätte ich gerne ein paar Infos: Foto 20. Höxter Steinwerk Westerbachstraße 35