Thursday, July 01, 2010

Steinernes Mittelalter in Osnabrück

Fachwerk steht für Mittelalter, so sehen es viele. Auch in Osnabrück. Doch ist Holz wirklich der wichtigste Baustoff gewesen? Zumindest besteht der Verdacht, dass er in Osnabrück nur bedingt eine größere Rolle spielt. Der Historiker Dr. Karsten Igel hat dazu einen Beitrag verfasst, der seit einigen Monaten im Internet nachzulesen ist:
Die Rekonstruktion des städtischen Raums

... Und, etwas provokativ gefragt, wo finden sich
denn die eindeutigen Belege für diese Fachwerkhäuser? Denn im Blick
auf das Baumaterial täuschen auch die repräsentativen Fachwerkgiebel
der großen Dielenhäuser des 16. und 17. Jahrhunderts (Abb. 6), die nach
zwei verheerenden Bränden der Jahre 1530 und 1613 entstanden:
Mit ihren massiven Brandmauern und rückwärtigen Steinwerken waren sie
eigentlich Steinhäuser mit Fachwerkgiebeln.
Das bisherige Rekonstruktionsmodell beruht wohl auch auf dem Gedanken, dass das Steinwerk vor allem dem Brandschutz diente, das Vorderhaus daher brandgefährdet,
also hölzern, gewesen sein müsse.
Ein so massiver Baukörper diente aber ebenso der sozialen Distinktion.
Auf die Baugestalt wirkten zudem die Möglichkeiten der Baustoffversorgung ein: Während Stein und Kalk unmittelbar vor den Osnabrücker Stadttoren abgebaut werden konnten und Steinbau dank der geringen Transportkosten somit vergleichsweise
günstig war, konnten die Verknappung von Holz und die daraus folgenden
Preissteigerungen gerade auch aufwändig gestaltete Fachwerkgiebel zu
einem repräsentativen Prestigeobjekt werden lassen.
Für die Fachwerkgiebel des 16. und 17. Jahrhunderts sollte auch der Einfluss von Moden bedacht werden, auf einen Wandel vom Stein zum Fachwerk hat Heinrich Stiewe im Rahmen seiner Arbeit zu Blomberg hingewiesen.
Die Strukturen des Spätmittelalters müssen sich darin jedenfalls nicht notwendig
widerspiegeln. Die hohe und günstige Verfügbarkeit von Stein dürfte
auch die anscheinend beispielslos massive Bauweise der Osnabrücker
Steinwerke erklären, macht es aber ebenso wahrscheinlich, dass über
diesen Bautyp hinaus Steinbau alles andere als die Ausnahme im mittelalterlichen Osnabrück war. ...

Hier ein Beispiel für ein vermeintliches Fachwerkhaus in der Kleinen Gildewart. Von der Seite sieht es schon ganz anders aus:
Gildewart
Und noch mehr, wenn ein Steinwerk dazugehört wie in der Krahnstraße, Marienstraße:
Osnabrück Steinwerk Cafe Laer
Und auch die Höfe und Herrensitze in Osnabrück neigten zum Steinbau, der Hakenhof in der Neustadt ist so ein Beispiel:
Osnabrück Neustadt

No comments: